„ ...tausche jungen Wolf gegen alten Fuchs“
Ziel des Projekts ist die Entwicklung und Erprobung eines modularisierten Curriculums für die allgemeine und berufsbezogene Bildung, um MultiplikatorInnen und Menschen ab der Lebensmitte zu motivieren und zu qualifizieren, die Arbeitswelt unter Nutzung der „Potenziale des Alters“ zu gestalten.
Mit diesem Curriculum werden auf der einen Seite die MultiplikatorInnen (Personal- und Betriebsräte, Personalverantwortliche) und auf der anderen Seite ArbeitnehmerInnen ab der Lebensmitte als Zielgruppe angesprochen. Die MultiplikatorInnen werden dabei in die Gesamtproblematik eingeführt, um perspektivisch in ihren jeweiligen Handlungsfeldern entsprechende Maßnahmen umzusetzen. Ziel der Weiterbildungsveranstaltungen für die Erwerbstätigen ist es, modellhaft zu erproben, ob durch Bildungsmaßnahmen das jeweils eigene Bewusstsein, d.h. die Einstellung zur Berufstätigkeit nach der Lebensmitte verändert werden kann.
Die Fortbildungsmodule für MultiplikatorInnen , d.h. für Personal- und Betriebsräte, Führungskräfte, AbteilungsleiterInnen, MeisterInnen, VorarbeiterInnen sowie MitarbeiterInnen von Personalabteilungen sollen dabei u.a. folgende inhaltliche Schwerpunkte umfassen:
Für die Gruppe der Teilnehmenden in mittleren Lebensjahren (40plus) soll ein Weiterbildungskonzept entwickelt werden, in dem Fragestellungen der Lebensgestaltung, Lernmöglichkeiten und beruflichen Entwicklung in der 2. Lebenshälfte thematisiert werden. Innerhalb dieses Konzepts sollen u.a. Themenschwerpunkte wie:
bearbeitet werden.
Durch den Einsatz des Curriculums, in dem beide Ansatzpunkte gemeinsam dargestellt werden, wird das Ziel erreicht, dass einzelne Unternehmen und Gruppen, die Verantwortung in Betrieb und Unternehmen tragen, in die Lage versetzt werden, die anstehenden Probleme selbständig anzugehen und sich durch entsprechende Maßnahmen auf die neue Situation vorzubereiten. Im Curriculum wird das vorhandene Wissen entsprechend der Zielgruppen aufbereitet und somit auch für den gesellschaftspolitischen Diskurs kommunizierbar gemacht. Insgesamt kann das bundesweit einsetzbare Curriculum einen zentralen Beitrag dazu leisten, den Bildungskanon im Kontext von arbeitsweltbezogener, allgemeiner und beruflicher Bildung um die Facetten des Lernens im Alter und der Stabilisierung und Entwicklung von Potenzialen des Alters durch kontinuierliche Weiterbildung zu erweitern. Gleichzeitig kann durch die Erprobung der Bildungskonzepte ermittelt und ausgewertet werden, ob und inwieweit Weiterbildung in die strategischen Überlegungen zur Umsetzung von Neuerungen/Innovationen einbezogen werden kann.
Angestrebt wird beispielhaft die Erprobung des Curriculums in Kooperation zum einen mit einem Unternehmen/ Betrieb und zum anderen mit Personal- und Betriebsräten/ einer Gewerkschaft umzusetzen. Dies gewährleistet einen effektiven Transfer in die Praxis, da die beteiligten Personalabteilungen der Unternehmen in Hinblick auf ihre Führungskräfte und betroffenen MitarbeiterInnen aktiv und die Personal- und Betriebsräte als Schlüsselpersonen aus der Arbeitswelt innerhalb ihrer Gewerkschaften initiativ werden können.
Die demografischen Veränderungen, die in den kommenden Jahrzehnten die gesellschaftlichen Diskussionen maßgeblich bestimmen werden, sind hinlänglich beschrieben. Festzuhalten bleibt, dass im Jahr 2010 in Deutschland über 30 % der Bevölkerung 60 Jahre und älter sein wird. Klar wird aber auch, dass im Jahr 2020 der Berg der „Babyboomer“ noch zum größten Teil unter 65 Jahren alt sein wird, also noch im erwerbsfähigen Alter ist.
Zu diesem allgemeinen Trend wird nach den Prognosen wissenschaftlicher Untersuchungen an den Universitäten und den Fraunhofer Instituten ab dem Jahr 2010 eine spezifische Problemlage hinzutreten: Das Angebot an Arbeitskräften wird sinken. Ein Fachkräftemangel wird spätestens ab 2010 von den entsprechenden Wirtschaftsforschungsinstituten und Kommissionen prognostiziert. Im Bericht der Hartz–Kommission heißt es u.a. dazu: „Der demographische Wandel wird sich in den kommenden Jahren beschleunigen... Das Erwerbspersonenpotential ( Erwerbstätige, registrierte Arbeitslose und stille Reserven) wird aber deutlich sinken. Bis zum Jahr 2015 fehlen nach Schätzungen rund 7 Millionen Erwerbspersonen, wenn man von einem Anstieg des Arbeitskräftebedarfs von knapp 3 Millionen ausgeht.“
In der EU begann die Alterung der Arbeitskräfte im Jahre 1995 und sie wird sich schätzungsweise mindestens bis zum Jahre 2025 fortsetzen. Der Anteil der 50- bis 54-jährigen ArbeitnehmerInnen wird in dieser Zeit von 25 auf rd. 35 % steigen, der der jüngeren ArbeitnehmerInnen wird zugleich sinken. Die demographischen Veränderungen ergeben sich aus drei Komponenten: der sinkenden Geburtenrate ( die Kinderzahl in Deutschland gehört weltweit zu den niedrigsten), der prognostizierten Zuwanderung und der steigenden Lebenserwartung ( im Vergleich zu 1970 hat sich bereits jetzt die Lebenserwartung um 7 Jahre erhöht).
Dies ist eine der bedeutendsten Entwicklungstendenzen in Europa und sie gilt ganz unzweifelhaft auch für die Bundesrepublik Deutschland. Zumal den Prognosen zufolge selbst durch eine hohe Zuwanderung dieser Trend nicht zu stoppen sein wird.
Zur Zeit lässt sich aber folgende Situation beschreiben. Unternehmen und auch die Bundesanstalt für Arbeit wissen um die Problematik. Unternehmen weisen auch darauf hin, dass ältere Arbeitnehmer gebraucht werden: faktisch arbeiten sie aber zur Zeit immer noch auf eine Verjüngung der Belegschaft hin. Europaweit liegt Deutschland bedauerlicher weise an der Spitze bei der wachsenden Zahl älterer Arbeitsloser: 30% der Arbeitslosen sind über 50 Jahre alt. Ältere Beschäftigte gelten hierzulande auch heute noch häufig als „Altlast“ und nicht als personal- und betriebswirtschaftliche Ressource. Während in Schweden über 68% der 55-bis 64-Jährigen noch einer Erwerbsarbeit nachgehen, sind es in Deutschland lediglich 37%.
Bislang gibt es zwar zunehmend eine positive Alterskultur für die Gestaltung der nachberuflichen Lebensphase ( bürgerschaftliches Engagement, Familienaktivität etc.). In diesen Kontexten wird bereits mit den neueren gerontologischen Erkenntnissen gearbeitet. Bislang werden diese Erkenntnisse über die „Potentiale des Alters“ aber nicht auf älterer Menschen im Erwerbsleben übertragen und entsprechende Maßnahmen eingeleitet. Gleichzeitig wird die Gruppe 40plus nur wenig darauf vorbereitet, welche Folgen der demographische Wandel für ihr Erwerbsleben hat und wie sie zielgerichtet ihre Fertigkeiten und Fähigkeiten so weiter entwickeln können, dass die spezifischen Potentiale ab der Lebensmitte auch im Erwerbsleben erhalten, erweitert und somit nutzbar bleiben.
Der derzeitige Umgang mit älter werdenden Belegschaften lässt sich an folgenden Reaktionsmustern beschreiben:
Diese Situation ist derzeit zu konstatieren, wenngleich zahlreiche empirische Untersuchungen belegen, dass es keine signifikanten Unterschiede zwischen der Arbeitsleistung älterer und jüngerer ArbeitnehmerInnen gibt. Denn nicht das Niveau der Leistung wandelt sich im allgemeinen mit dem Älter werden, sondern eher das Spektrum der Leistungsmerkmale. Ist der Verlauf des Berufslebens durch vielseitige, abwechslungsreiche Arbeitsanforderungen und Lern- und Entwicklungsprozesse geprägt, dann wächst die berufliche Kompetenz gemeinhin mit dem Alter. Dazu kommt auf der einen Seite, dass zunehmend mehr Menschen bis weit ins hohe Alter gesund sind und auf der anderen Seite die sogenannte "soziokulturelle Verjüngung älterer Menschen". Diese Entwicklung bezieht sich auf die Aktivitätspotentiale, das Aussehen und die geistige Fitness der Gruppe der älter werdenden Menschen. Von der Tendenz haben wir es mit einer (künftig) wachsenden Gruppe dynamischer, kompetenter und gesunder älterer Menschen zu tun; eine Gruppe, die absolut wie relativ im Anwachsen begriffen ist.
Diese Befunde weisen darauf hin, dass in den nächsten Jahren in der Bundesrepublik Deutschland ein Paradigmenwechsel bevorsteht. Dieser Paradigmenwechsel wird insbesondere die ältere ArbeitnehmerInnenschaft in ihren Möglichkeiten, Kompetenzen und Potenzialen weiter stärker in den Blick nehmen (müssen). Die damit verbundenen sozialpolitischen Implikationen werden die gesellschaftspolitischen Diskussionen in Politik, Interessenvertretung und Gesellschaft maßgeblich prägen.
Zu fragen ist, ob eine Gesellschaft es sich leisten kann, solche Kompetenzen und Potentiale brach liegen zu lassen und was getan werden muss, damit sich Menschen ab der Lebensmitte auf veränderte Anforderungen und Möglichkeiten im Erwerbsleben vorbereiten können. Der prognostizierende Paradigmenwechsel hinsichtlich der Herausforderungen alternder Belegschaften wird folgende Fragestellungen und Entwicklungen in den Mittelpunkt stellen:
Die genannten Felder stellen eine Herausforderung für Unternehmen und Wissenschaft, aber auch für Politik und Verbände (Interessenvertretung) sowie für die Erwerbspersonen selbst dar. Die Problematik einer zunehmend alternden Belegschaft wurde bislang hauptsächlich im Kontext wissenschaftlicher Untersuchungen thematisiert. Unternehmen, Interessenvertretung und Weiterbildung haben sich bislang der genannten Thematik noch nicht intensiv angenommen.
Die beschriebene Entwicklung zwingt Gesellschaft, Unternehmen, Gewerkschaften und Individuen Ideen und Konzepte zu entwickeln, um das Arbeitsleben, das dem entsprechend bislang am Leitbild eines jungen Mitarbeiters orientiert ist, künftig den neuen Verhältnissen entsprechend zu organisieren, Abschied von einem Defizit-Modell des Alters zu nehmen und stärker die Potentiale des Alters in den Vordergrund zu stellen.
Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungstendenzen – demografischer Wandel, alternde Belegschaft und Fachkräftemangel, Potentiale älterer ArbeitnehmerInnen, Entwicklung der sozialen Sicherungssysteme – wurde die Projektidee entwickelt.